Prof. Dr. Irenäus Eibl-Eibesfeld

Ein verspäteter Nachruf

Irenäus Eibl-Eibesfeld, Prof. Dr. ist am 2. Juni 2018 gestorben.

(geboren 1928 in Wien)

Er war kein Pädagoge, kein Mediziner, niemand, den man in der Heilpädagogik genannt hat. Er arbeitete u.a. auf den Galapagos Inseln, befasste sich mit Tierverhalten und arbeite dann an der Entwicklung der Humanethologie. Diese neue Wissenschaft vom biologisch basierten, aber keineswegs ausschliesslich biologisch gesteuerten Verhalten des Menschen brachte Einsichten hervor, die auch für meine Arbeit – Unterstützung und Begleitung von Menschen mit schwersten Beeinträchtigungen – wichtig und richtungweisend waren.

Eibl-Eibesfeld beschrieb das „Lächeln als angeborene Ausdrucksbewegung“, er beobachtete nach seinen strengen Kriterien die Entwicklung des Lächels bei einem taub-blind geborenen Kind. Ohne dass dieses Kind sich die Mimik seiner Eltern absehen konnte, ohne dass es die Laute hörte, die ein Lächeln und Lachen begleiten, entwickelte es eigenständig die Fähigkeit zu lächeln.

Für uns in der Arbeit mit sehr schwer behinderten Kindern stellte sich die Frage analog: manche Kinder lächelten, andere nicht. Woran lag dies. Und wie könnte man ihnen helfen, das sozial so wichtige Minenspiel des Lächelns zu entdecken und auch einzusetzen?

Die Arbeit von Eibl-Eibesfeld ermutigte uns, die basale Fähigkeit des Lächelns ernst zu nehmen. Bei einigen Kindern entdeckten wir sie dann beim Schaukeln, das wir ihnen in unserer sog. Wackeltonne erstmals anboten. Für Eltern war es beglückend, ihr Kind nach Jahren erstmals lächeln zu sehen.

Und eine weitere wichtige Erkenntnis verdanken wir indirekt Eibl-Eibesfeld.

In seinem Buch „Liebe und Hass“ beschreibt er seine ethologischen (aufs Verhalten bezogenen) Studien zur Mimik bei Begegnungen zwischen Menschen. Er entdeckte in seinen Filmaufnahmen ein sehr kurzes, bewusst eigentlich nicht wahr genommenes, Heben der Augenbrauen, das dem gegenüber eine freundlich-aufmerksame Annäherung signalisiert. Fehlt dieses Heben der Augenbrauen wird die Begegnung als tendenziell aggressiv aufgefasst und die Reaktion besteht zumindest in Distanz und Vorsicht.

Wir konnten mit technisch vergleichsweise bescheidenen Filmaufnahmen zeigen, dass bei Kindern mit ausgeprägten spastisch- athetotischen Bewegungsstörungen dieses Heben der Augenbrauen nicht funktioniert und so zur Irritation des Gegenüber beiträgt. Wir formulierten daraus: sehr schwer behinderte Kinder erleiden aus einer Funktionsstörung, die niemandem bewusst ist, eine sozial-emotionale Benachteiligung in Form sozialer

Distanzwahrung oder Abwendung.

Zwar konnten wir diesen Kindern kein Angebot machen, das die Funktionseinschränkung kompensierte, aber immerhin hatten wir nun für uns und andere Erwachsene Kontaktpersonen eine Erklärung für unser eigenen, uns oft selbst befremdliches Kontakt-Vermeidungs-Verhalten und konnten dies überwinden.

Von der Humanethologie lernten wir ganz grundsätzlich auch kleine Verhaltenskomponenten zu beobachten, die Funktion von Verhaltenselementen ernst zu nehmen und nach Alternativen zu suchen, um Kommunikation und Begegnung positiv zu gestalten.

Herrn Eibl-Eibesfeld habe ich nie persönlich kennen gelernt. Das bedauere ich sehr – aber in dieser frühen Zeit unserer Arbeit hätte ich mich nicht getraut einen so berühmten Mann zu kontaktieren. Bei Hanus Papousek, dem Entdecker des Baby-Talk ist mir das dann nicht mehr passiert. Die Humanethologie scheint derzeit etwas in Vergessenheit zu geraten, die entsprechende Forschungsstelle des Max-Planck-Institutes Seewiesen existiert so nicht mehr. Aber es lohnt sich – wenn man ernsthaft arbeiten will – seine Publikationen zu lesen.

Drei wichtige Titel von I. Eibl-Eibesfeld:

– Die Biologie des menschlichen Verhaltens

– Grundriss der vergleichenden Verhaltensforschung ( sehr wissenschaftlich gehalten)

– Liebe und Hass – zur Naturgeschichte des menschlichen Verhaltens ( gute lesbar)

Quelle: Foto http://www.humanetho.de/