Inklusive Kunst

Zusammenfassung eines Vortrags in der Wintringer Kapelle, September 2018

www.kulturort-wintringer-kapelle.de

Inklusive Kunst – das kann man mit unterschiedlicher Betonung und Bedeutung lesen. Kunst sollte immer mit dabei sein, sie gehört gewissermassen zum Leben dazu. Kunst illustriert, verdeutlicht, hinterfragt unseren Alltag, Kunst bereichert ihn. Kunst ist immer inklusive.

Die andere Lesart: Inklusive Kunst wäre eine Kunst, die möglichst alle Menschen mit einbezieht. Über kulturelle, sprachliche und politische Grenzen hinweg.

Ja, sogar über zeitliche Grenzen hinaus. Und natürlich ist Kunst in der Lage, auch Menschen einzubeziehen, die mit schweren körperlichen oder geistigen

Einschränkungen leben müssen, nämlich behinderte Menschen. Auch für sie ist Kunst da, sie öffnet sich allen Menschen.

Manche dieser behinderten Menschen können die gewohnten Wege der Kunstbegegnung nicht gehen. Ihre Sehfähigkeit ist eingeschränkt,

ihre visuelle Wahrnehmung gibt ihnen zu wenig Information. Ihre kognitiven Fähigkeiten erlauben Ihnen nicht, einer sprachlichen Erläuterung des Kunstwerks zu folgen. Sie sind auf den unmittelbaren Kontakt mit dem Kunstobjekt angewiesen. Sie müssen fühlen um zu begreifen, sie brauchen den physischen Kontakt um von Kunst berührt zu werden. Sie haben ganz wenig Vorerfahrung mit Materialien, mit Farben, mit der Formensprache, schon gar nicht mit kunstgeschichtlichen Entwicklungen. Ihre Kunstbegegnungen können nur unmittelbar und direkt sein.

Welches Museum, welche Galerie könnte einen solchen inklusive Ansatz des unmittelbaren Kunsterlebens verwirklichen?

Bislang gibt es fast überall klare Grenzen: Kunstobjekte müssen geschützt werden, ihre Oberflächen und Feinstrukturen dürfen nicht beschädigt werden – man kann einfach niemandem erlauben, Kunst „ in den Arm“ zu nehmen, sein Gesicht an eine kühle Bronzestatue zu drücken, an einer Skulptur aus Holz zu kratzen.

Aber genau das müssten Menschen mit schweren Wahrnehmungs- und Erfahrungseinschrnkungen tun. Sie müssen in den unmittelbaren Kontakt mit dem Kunstobjekt kommen, die Fernsinne genügen nicht. Sie müssen begreifen um etwas zu begreifen.

Mit meinen Überlegungen möchte ich dazu anregen, über die Partizipation am kulturellen Erbe für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen nachzudenken und Wege zu ersinnen, Ihnen einen unmittelbaren Zugang zu ( ausgewählten) wirklichen Kunstobjekten zu ermöglichen.

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Kreativität von Kindern mit schweren Behinderungen

Dieser Text war ursprünglich ein Beitrag zu dem Buch
Ausbildung und Kunst – die Bedeutung des Künstlerischen für
sozial- und heilpädagogische Berufe
Herausgegeben von Andreas Fischer
Bern 2006

Durch die kürzliche Begegnung mit einer jungen Heilpädagogin und Kunstvermittlerin wurde ich an diesen Text erinnert. Da das Buch leider nicht so sehr viel Verbreitung gefunden hatte, möchte ich meine Überlegungen hier nochmals vorstellen. Ich habe die literarische Form eines Briefwechsels gewählt, habe die persönliche Anrede verwendet – aber diesen Briefwechsel und die darin erwähnten Gespräche gab es so nicht, leider.

Klicken Sie auf folgenden Link, um das PDF herunterzuladen – anschl. die Rücktaste wählen

Kreativität für Hans

Kreativität von Kindern mit schweren Behinderungen

Landau, den …

Lieber Hans,

hattest Du mich beim Weggehen noch nach Kreativität gefragt, oder bilde ich mir das nur ein? Jedenfalls lässt mich die Frage jetzt nicht mehr los und mit sehr vielem von dem, was ich gelesen habe, bin ich einfach nicht zufrieden.

Kreativität, das ist wieder einmal so ein Gedankenkonstrukt, bei dem man ja nun wirklich nicht sagen kann, dass Kreativität an sich exis- tiert. Wir tun so, als habe jemand Kreativität, als habe sich Kreativität in jemandem eingenistet und würde dort zum Wirken kommen. Dabei kennen wir doch nur Menschen, deren Verhalten uns immer wieder überraschend vorkommt, ganz speziell ihr künstlerisches Ausdrucksverhalten, die nennen wir dann kreativ. Die Schlussfolgerung, es gäbe so etwas wie Kreativität, beruht, so meine ich, auf einem sprachlichen Irrtum. Unsere Fähigkeit schnell ein Substantiv zu formulieren, ver- führt uns dazu, zu glauben, dass es dies als Sache, als Ding, als etwas Festes, Eigenes gäbe.

Also fange ich meine Antwort damit an, dass ich erst einmal Kreativität abschaffe. Ich will aber festhalten, dass es Menschen gibt, die dieses Überraschungsverhalten in ihrer beruflichen, in ihrer künstlerischen, in ihrer sozialen Verhaltensweise zeigen. Überraschung, unerwartetes Hervorbringen, das gehört ganz sicherlich zu dieser Frage, die Du mir vielleicht gestellt hast. Weiterlesen

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Schmerzausstellung

DSCF6901Meine Bilderserie Schmerz gehört nun der Stiftung leben-pur in München und wird auch von ihr „verwaltet“. Man kann sie ausleihen, man kann sie zu einer Veranstaltung oder auch zu einer Ausstellung nutzen. Das muss dann mit der Stiftung abgesprochen werden.
An der Gründung dieser Stiftung war ich beteiligt, ich fühle mich ihr sehr verbunden. Menschen mit schwersten Behinderungen sind das gedankliche Zentrum dieser Stiftung. Fortbildungen, Publikationen und spezielle Schulungen werden angeboten, um Menschen mit schwersten Behinderungen ein möglichst gutes Leben zu ermöglichen. (www.stiftung-leben-pur.de)
Schmerz ist häufig ein ständiger Begleiter für diese Menschen, Schmerzvermeidung und Schmerzreduktion sind wichtige Aufgaben einer Palliativen Pädagogik und einer sorgsamen Pflege.
Meine Bilder können Anstoß zum Nachdenken geben…

Himmelskörper

nach vielen Monaten der Beschäftigung mit dem „alten Eisen“ war ein Punkt erreicht, an dem mir diese Gestaltung zu „barock“ wurde. Die vielfältigen Formen, die zum Teil fantastischen Gestalten, das Gold    der Wunsch nach Reduktion wurde stark. Ein einzelnes Stück aus dieser Zeit rückte in den Mittelpunkt meines Interesses:

Es erinnert mich an die Himmelsscheibe von Nebra. Das Material Eisen ist und bleibt für mich faszinierend, und das kontrastierende Gold ebenso. Dieses hauchdünne Blattgold (oder günstigeres Schlagmetall) modelliert ja die narbige, eher raue Oberfläche des Eisens nach, hebt sie hervor und überstrahlt sie gleichzeitig. Die Form ist radikal vereinfacht: ein Punkt und sein Horizont, ein Kreis.

Die Himmelskörper stehen für eine Art von Vollkommenheit und Ruhe. Sie ertragen, ja verlangen leeren Raum um sich herum. Sie geben keine Bedeutung vor, jeder Betrachter kann etwas darin finden, was ihm bedeutungsvoll scheint.

Das passt in die dunkle Zeit des Winters mit seinen Lichterfesten.


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Ausstellung zum 40. der ersten Frühreha-Einrichtung

Schmerz

Zwanzig Blätter (ca. 50 x 70) zum Thema Schmerz habe ich 2012 zum 40. Geburtstag des Hegau-Jugendwerkes, der ersten Frühreha – Einrichtung für Kinder und Jugendliche in Deutschland gemacht.

 Auf schwerstem, handgeschöpftem Büttenpapier (eigentlich ist es schon Karton) habe ich versucht, verschiedenen Schmerzempfindungen Ausdruck zu geben. Nicht psychisches Leid sondern physischer Schmerz in seiner Vielfalt wird thematisiert.

Ich bediente mich auf der Papiergrundlage unterschiedlicher Techniken: Einprägungen, Ritzungen, Schnitte, aber auch  farbige Tinten und Feuer kamen zu Einsatz.

Die Blätter ungegenständlich, es werden also keine Schmerzereignisse abgebildet. Es sind wirklich keine angenehmen Bilder – aber eindrucksvolle, wie die Besucher bestätigten.

„Hier findet jeder seinen Schmerz“ sagte mir eine Besucherin.

 

 

 

 

Im Jahr zuvor hatte ich mich füreinige Tagungen mit dem Thema „Schmerz und schwerste Behinderung“ befasst, viel gelesen und dann geschrieben. Aber ich war noch nicht fertig mit dem, was Schmerz wirklich sein kann. Daher ging ich daran, auf einem anderen Weg die wissenschaftliche Arbeit fortzusetzen.

Diese Blätter können als Ganzes für Ausstellungen (im Rahmen einer Tagung, in einer Schmerzklinik…) ausgeliehen werden.

 

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noch nicht zum alten Eisen

Woran ich arbeite…

noch nicht zum alten Eisen

immer wieder finde ich Stücke alten, meist rostigen Eisens, oft schon zerfressen, manches abgebrochen, krumm verbogen.
Für mich haben diese Stücke einen großen Reiz. Sie müssen gesäubert werden, meist wirklich „entkrustet“, dann wird das Eisen wieder sichtbar mit seinem schwärzlichen Glanz. Eisen ist für mich ein „natürliches“ Material, sicher nicht ohne menschlich-technisches Zutun, aber doch eben ausschließlich aus Stoffen, die die Natur uns zur Verfügung stellt.
Das drückt sich für mich haptisch aus, die Berührungsqualität von Eisen ist etwas Besonderes.
Voller Bewunderung stehe ich vor den Grossplastiken von Chillida, dem baskischen Meister der ganz grossen eisernen Skulpturen.
Meine sind ganz klein, echte Kleinplastiken, und ich habe gar nicht viel getan, um das „alte Eisen“ das zum Schrott gehört, zu retten und ihm eine besondere Bedeutung zu geben:
reinigen, da und dort polieren und bei vielen Stücken, ein wenig Blattgold aufzubringen.
Für mich wird dann das Alt-Geworden-sein dieses Stückes gewürdigt, der Hauch von Gold weisst auf den Wert hin, der nicht im Gold besteht sondern in der (unbekannten) Geschichte dieses Stückes.
Analogien sind immer erlaubt, ja, erwünscht.