Nun ist also auch Umberto Eco gestorben. Die Feuilletons werden ihn würdigen, seine wissenschaftlichen Leistungen in der Semiotik, seine Wirksamkeit als europäischer Intellektueller.
Vor allem aber als Schriftsteller, der in Deutschland ein besonders grosses Leserpublikum hatte und hoffentlich noch lange haben wird. Der Autor von „Der Name der Rose“, „Die Insel des vorigen Tages“, „Das Foucaultsche Pendel“ , meines persönlichen Lieblingsbuches „Baudolino“ und vieler kleinerer witziger, intelligenter und kritischer Schriften, hat auch ein Buch verfasst, das nicht in die Bestsellerlisten kam, das aber aus dem Blick der Rehabilitiationswissenschaften einer besonderen Erwähnung würdig ist:
Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana, erschienen 2004.
Wie schon in meinen Gedanken an Roger Willemsen angedeutet, handelt es sich bei der Königin Loana um einen fast klassischen Entwicklungsroman, der auf einem fiktionalen Koma mit anschliessender retrograder, fast vollständiger Amnesie, also einem totalen Gedächtnisverlust, basiert.
Der Ich-Erzähler muss sein Leben neu entdecken, er findet sich in einer Umgebung – einem Buchladen – mit ihm unbekannten Menschen wieder, von denen er nicht einmal weiss, in welchem Verhältnis er zu ihnen gestanden hat.
Ist das seine Frau, die da im Laden steht? Ist es nur eine Angestellte? Hat er vielleicht eine Affaire mit ihr? Hat er eine gehabt und ist sie beendet – er weiss es nicht mehr.
Die eigentliche „Geschichte“ besteht darin, dass Eco als Ich-Erzähler uns auf eine literarische Entdeckungsreise in die von ihm über viele Jahre gelesene Literatur mit nimmt. Literatur, die seine Person gebildet und geformt hat, die ihn als Person ausmacht.
Das wird nun für den Leser spannend – oder auch langweilig. Man kann dem Autor nämlich bald nicht mehr folgen, wenn man die Bücher, Zeitschriften und vor allem die vielen Comics, auf die er sich bezieht, nicht kennt. Selbst, wenn man belesen ist, wird es schwierig, denn seine Comic – Lesezeit dürfte ca. 70 Jahre zurück liegen. Wer von uns kennt italienische Comics aus dieser Zeit?
Wie bei Eco nicht anders zu erwarten, ist das alles sprachlich und stilistisch überaus gut gelungen, man kann das Buch allein von da aus mit Vergnügen lesen, wenn man am Lesen über das Lesen Vergnügen hat.
Fast 500 Seiten sind da zu lesen, ein dickes Taschenbuch.
Und am Ende ein Satz, der angesichts seines Todes neue Bedeutung bekommt:
Ich spüre einen kalten Hauch, ich hebe die Augen
Warum wird die Sonne auf einmal so schwarz?